Direkt zum Inhalt springen
  • Drucken
  • Sitemap
  • Schriftgrösse

Wie das Glas in den Thurgau kam

2022 ist das internationale Jahr des Glases. Ein passender Anlass, sich die Geschichte dieses wertvollen Materials etwas genauer anzusehen. Obschon man Glas schon seit der Bronzezeit produziert, dauerte es wahrscheinlich bis ins Mittelalter, ehe im Thurgau erstmals Glas verarbeitet wurde. Denn der Fertigungsprozess des kostbaren Gutes war ein gut gehütetes Geheimnis.


Fund aus Steckborn: Halskette mit Glasperlen, frühmittelalterlich

Historisches Museum Thurgau, Kunstmuseum Thurgau und Museum für Archäologie Thurgau: Gleich drei kantonale Museen haben 2022 Aktivitäten zum Anlass des internationalen Jahres des Glases geplant. Werfen wir einen kurzen Blick zurück auf 4000 Jahre Glas-Geschichte im Thurgau.

Gut gehütetes Geheimnis

Glas wird aus Quarzsand und Pottasche hergestellt. Um die beiden Stoffe zu verschmelzen, bedarf es grosser Hitze – man benötigte eine Unmenge an Holz dafür. Entdeckt wurde das einmalig durchsichtige Material im südöstlichen Mittelmeerraum, wahrscheinlich in Syrien oder Ägypten. Das Geheimnis der Glasproduktion wurde über viele Jahrhunderte gewahrt und so entstand das erste Glas aus Thurgauer Produktion wohl erst im Mittelalter. 

In der Bronzezeit befand sich das Zentrum europäischer Glasproduktion in Frattesina, in Norditalien. Von hier aus wurden die kostbaren, begehrten Glaswaren auf dem ganzen Kontinent vertrieben. Und da der Thurgau direkt an wichtigen Handelsrouten lag, kamen die ersten Glasperlen schon in der Bronzezeit in unsere Gegend. Auch andere wertvolle Güter fanden den Weg in den Thurgau – beispielsweise Bernstein aus dem Baltikum oder das zur Bronzeproduktion unerlässliche Zinn aus Cornwall in Südengland.


Keltischer Glasarmring, 3./2. Jahrhundert v. Chr. aus einem Grab in Frauenfeld

Fenestra und Windauge

Erst in der Römerzeit wurden Glaswaren in der Schweiz hergestellt. Produziert wurde der Rohstoff nicht vor Ort, vielmehr kam er als Rohglas, oft in Barrenform, ähnlich den heutigen Goldbarren, in die Schweiz. Hier wurde er eingeschmolzen und weiterverarbeitet – zu Schmuck oder Gefässen wie Flaschen und Trinkgläsern. Eine entsprechende Glasmanufaktur wurde in Augst (dem römischen Augusta Raurica) gefunden, im Thurgau gab es bisher keinen entsprechenden Fund. Was nicht bedeutet, dass nicht auch hier schon in römischer Zeit Glas eingeschmolzen und weiterverarbeitet wurde.

Sogar Glasfenster kannten die Römer bereits und so leitet sich das Wort «Fenster» vom lateinischen «fenestra» ab und lebt in vielen Sprachen weiter. Die römischen Fenster waren unseren heutigen Fensterscheiben nicht unähnlich. Ein Glaszylinder wurde flachgewalzt und in einen Holzrahmen eingefügt. Die maximale Grösse dieser Fenster lag allerdings bei ca. 20 x 30 Zentimetern. Um grössere Fenster herzustellen, wurden später einzelne Glasstücke oder sogenannte «Butzen» – runde, mundgeblasene Scheiben – mit Bleistegen verbunden. Der englische Ausdruck «window» leitet sich übrigens von «wind eye», also einem Auge, das dem Wind trotzt, ab.

Die ersten echten Glashütten gab es im Gebiet der heutigen  Schweiz erst seit dem Mittelalter. Diese befanden sich meist im Wald, um das für die Schmelze nötige Holz gleich vor Ort zu haben. Bis in die Neuzeit war Glas ein kostbares Gut. Das zeigte sich beispielsweise daran, dass von manch einem Landesfürsten eine Art «Luxussteuer» auf Fenster erhoben wurde. Noch heute zeugen vielerorts aufgemalte anstelle von realen (steuerpflichtigen) Fenstern davon.

open positions