Direkt zum Inhalt springen
  • Drucken
  • Sitemap
  • Schriftgrösse

Louis Napoléon in seinen eigenen Worten

Christina Egli, stellvertretende Direktorin beim Napoleonmuseum Arenenberg, ist eine ausgezeichnete Kennerin der napoleonischen Zeit und der handelnden Personen. Ein Langzeitprojekt, das sie bereits seit 20 Jahren antreibt, ist die Transkription und digitale Nutzbarmachung der Briefe, welche Louis Napoléon, der spätere Kaiser Napoleon III., in seiner Zeit im Thurgau (1808 bis 1838) geschrieben hat.


Zum Erfassen der Briefe wird eine Schrifterkennungssoftware genutzt.

Zu Beginn waren es ausschliesslich Briefe, die sich in der Sammlung des Napoleonmuseums befanden, welche Christina Egli transkribierte. Als Kaiserin Eugénie, die Frau von Louis Napoléon, 1906 Schloss Arenenberg dem Kanton Thurgau schenkte, waren allerdings keine Briefe mehr vorhanden. Die circa 150 Stück, welche sich nun im Besitz des Museums befinden, wurden später angekauft. Ein paar wenige sind auch Schenkungen. Erste Käufe tätigte bereits Bruno Meyer, eine prägende Persönlichkeit im Thurgau, welche mehr als vierzig Jahre Staatsarchivar und zusätzlich viele Jahre Direktor des Napoleonmuseums Arenenberg, des Historischen und des Naturmuseums Thurgau war. Bis heute kommen immer wieder neue Dokumente hinzu.

Als Christina Egli mit der Abschrift der Briefe begann, gab es noch keine Software, welche die handgeschriebenen Papiere erfassen konnte. In mühevoller Kleinarbeit musste sie jedes Dokument selbst entschlüsseln und abtippen – und das nebst all der anderen Aufgaben, die sie im Napoleonmuseum Arenenberg hatte. Nach und nach entstand so ein Dokument mit mehr als 300 Seiten. Neben den erwähnten Briefen aus der Sammlung des Museums suchte sie in Quellen wie den «Archives nationales» Frankreichs und zahlreichen Privatarchiven nach weiteren Briefen Louis Napoléons und erfasste diese.

2008 stolperte Christina Egli über eine Website, auf der die Briefe von Alfred Escher einzusehen sind – als Fotos, mit transkribiertem Text und Stichwortverzeichnis. Von diesem Moment an war ihr klar, dass es genau das war, was ihr auch für die Briefe von Louis Napoléon vorschwebte.

Der letzte Mosaikstein war dann der grosse wissenschaftliche Verlag «De Gruyter», welcher nicht nur Zugang zu den meisten Bibliotheken und Archiven weltweit hat, sondern für vergleichbare Projekte eine Software namens Transkribus anwendet. Als Christina Egli den Verlag anfragte, war dieser sofort interessiert. Transkribus analysiert den Text auf handschriftlichen Dokumenten und lernt mit jedem neuen Schriftstück dazu – die Resultate werden immer besser. Christina Egli korrigiert die so erfassten Texte, was die Fehlerquote weiter drückt.


«Transkribus» lernt stets dazu und die Resultate werden immer besser.

Trotz des Einsatzes der Software ist es immer noch eine riesige Arbeit, die zu bewältigen ist. Neben dem Korrigieren müssen Kommentare zu den Inhalten geschrieben und im Text erwähnte Personen im Stichwortverzeichnis erfasst werden. Anfang 2025 sollten zumindest alle Briefe von Louis Napoléon an seine Mutter und an seinen Vater erfasst sein, ein erster Block ist bereits auf der Plattform einsehbar.

2025 macht sich Christina Egli an die Briefe, welche Louis Napoléon an General Dufour geschrieben hat. 123 Stück sind hier zu erfassen. Louis Napoléon war sehr interessiert an militärischen Entwicklungen und Strategien und eng mit dem Schweizer General, der 1787 in Konstanz geboren wurde, befreundet.

Leider sind praktisch keine Briefe erhalten, welche an Louis Napoléon gerichtet waren. Ein grosser Teil ging beim Brand und der vorangegangenen Plünderung der Tuilerien durch die Pariser Kommune (1871) verloren, Auch kaufte Louis Napoléon Liebesbriefe, die er in jungen Jahren geschrieben hatte, zurück und liess sie vernichten.

Das ganze Archiv ist unter dem Titel «Napoleon, Letters and Papers» zugänglich und mit einem ähnlichen Archiv zu Napoléon Bonaparte verlinkt. So entsteht nach und nach ein Projekt grosser Tragweite, das ein Stück europäischer Geschichte für jedermann zugänglich macht.

Christina Egli versucht, die «Fondation Napoléon» in Paris von einer Kooperation zu überzeugen und so das Archiv auf eine breitere Basis zu stellen. Schliesslich geht die Arbeit nie zu Ende – fast täglich kommen neue Dokumente zum Vorschein.