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Bonapartes Grabplatte

«Einmal wirst du Herrscher von Frankreich sein!» Hortense de Beauharnais, Stieftochter und Schwägerin von Napoléon Bonaparte, hatte grosse Pläne für ihren Sohn Louis Napoléon. Auf Schloss Arenenberg liess sie eine Kopie der Grabanlage des französischen Kaisers installieren – die Gedenkstätte sollte Louis an seine Bestimmung erinnern. Gleichzeitig war sie ein wichtiger Bestandteil der Arenenberger Parkanlage. Anlässlich der Ausstellung zum 200. Todestag Napoleons I. wird nun eine Kopie dieser Kopie angefertigt.


Auch die Topografie der Gedenkstätte auf Arenenberg war dem Original nachempfunden.

Am 5. Mai 1821 verstarb Napoléon Bonaparte auf St. Helena, einer britischen Kolonie im Südatlantik. Nach seiner Niederlage bei Waterloo war er dorthin verbannt worden. Der ehemalige Kaiser von Frankreich wurde in einem schlichten Grab unter einer Trauerweide beigesetzt. Als Dominik Gügel vor über 20 Jahren nach Schloss Arenenberg kam, erwähnte Willi Hugentobler, ehemals Verwalter des Napoleonmuseums, ein Napoleongrab, welches sich früher auf dem Arenenberg befunden habe soll. Dies erschien durchaus plausibel: Hortense legte Wert darauf, dass sich ihr Sohn seiner Herkunft als Spross der kaiserlichen Familie bewusst war. Sie wollte, dass Louis Napoléon dereinst eine führende Rolle in Frankreich spielen sollte. So war es auch kein Zufall, dass der «Prinzenflügel», den sie auf Arenenberg bauen liess, genau auf Paris ausgerichtet war.
2008 entdeckte man bei der Wiederherstellung der Parkanlage in der Wand unterhalb des Schlosses (wo heute eine Treppe in den unteren Teil des Parks führt) eine grottenartige Nische. Dort, dachte man, musste sich die Gedenkstätte für Bonaparte befunden haben. Ein Irrtum, wie sich erst vor wenigen Monaten herausstellte. Ein Stereofoto aus der Zeit um 1860 war aufgetaucht, auf dem ein stattlicher Baum unterhalb des Schlosses zu sehen ist, dort, wo sich heute der Weinberg befindet. Das Foto, versehen mit der Aufschrift «Trauerweide über Napoléons Grab», weckte die Detektivin in Christina Egli, Leiterin Wissenschaft und Forschung im Napoleonmuseum. Dominik Gügel und sie verglichen das Bild mit einem Übersichtsplan von 1835 und zeitgenössischen Unterlagen, unter anderem von Gaspard Gourgaud, einem der Testamentsvollstrecker Napoléons. Aus den Dokumenten geht hervor, dass Gourgaud, der Napoléon ins Exil nach St. Helena begleitet hatte, im Spätsommer 1821 als Gast von Hortense beim feierlichen Pflanzen einer Trauerweide anwesend war. Die Forscher gehen davon aus, dass – wie im Original auf St. Helena – die Trauerweide direkt über der Grabplatte stand. Auch die Topografie war dem Original, das Frau Egli selber besucht hat, nachempfunden: Ein kleiner Weg führt in eine Senke, auf der das Grab liegt.
Auf Arenenberg ist von dieser Grabkopie heute nichts mehr zu sehen. Irgendwann wurde die Senke aufgeschüttet und mit Weinreben bepflanzt. Ob die Grabplatte noch irgendwo in der Erde liegt, ist nicht festzustellen. Sie könnte abgerutscht sein oder wurde beim Anlegen des Weinberges entfernt – die enge Bepflanzung mit den Weinreben macht den Einsatz eines sogenannten Bodenradars, das Abweichungen in der Beschaffenheit des Untergrundes aufspürt, unmöglich.
Aus Anlass des 200. Todestages von Napoléon Bonaparte plant das Napoleonmuseum Thurgau eine Ausstellung über den Kaiser Frankreichs, welche voraussichtlich am 10. Mai 2021 eröffnet werden wird. Neben der Persönlichkeit Napoléons I. sollen dabei auch die Millionen von Menschen thematisiert werden, welchen die Feldzüge des grössenwahnsinnigen Diktators das Leben kosteten. Ein Highlight der Ausstellung: die Kopie der Kopie von Napoléons Grabplatte, welche, wie das Original, unter einer Trauerweide zu liegen kommt.
Wie einst die erste Kopie im Auftrag von Hortense wird auch die neue Platte von einem regionalen Steinmetz aus Sandstein gehauen und über die Ausstellung hinaus fester Bestandteil des einmaligen historischen Ensembles Arenenberg bleiben. Zum Anlass der Einweihung kreiert das Berufsbildungszentrum einen neuen Wein, den Cuvée Rosé «Tombe Napoléon», welchen man auch im Museumsshop wird kaufen können.
Ob es an Bonapartes Grabplatte lag? 1852 proklamierte sich Louis, der Sohn von Hortense de Beauharnais, als Napoléon III. zum Kaiser von Frankreich.