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Der Wolf im Thurgau

Beinahe 200 Jahre lang war im Thurgau kein Wolf mehr gesichtet worden, ehe 2017 wieder einer auftauchte. Weitere Artgenossen sollten folgen. Das dritte und bis heute letzte Tier, welches man im Kanton beobachtete, musste leider vor ziemlich genau einem Jahr erlegt werden. Es war krank. Sein Schädel wird in der Ausstellung «Der Wolf – wieder unter uns» zu sehen sein. Am 5. März wird sie eröffnet – und mit ihr öffnen sich auch endlich wieder die Tore des Naturmuseums Thurgau in Frauenfeld.


Der Schädel des bisher letzten Wolfs, der seit 2017 im Thurgau gesichtet wurde. Das Tier war krank und musste erlegt werden.

Am 18. Februar 2020 wurde M 109, der bisher letzte im Thurgau beobachtete Wolf auf Thurgauer Boden geschossen. Nicht, weil er Probleme gemacht, beispielsweise viele Schafe gerissen hätte. In den Wochen zuvor war er immer wieder in Fotofallen getappt und selbst für Laien war leicht zu erkennen: Dieses Tier ist krank, sehr krank. Mehr noch, mit der Zeit verschlechterte sich der Zustand des Tieres zusehends. Der Wolf litt offensichtlich an der Räude, einem Befall mit Milben, der zu einem permanenten, unerträglichen Juckreiz und starkem Fellausfall führt.
Ein professioneller Wildhüter erlöste das Tier. Der Kadaver wurde an das Zentrum für Fisch- und Wildtiermedizin der Universität Bern überstellt, welche eine Vielzahl von Leiden diagnostizierte. Neben der Räude waren Nieren, Herz und Dickdarm entzündet, die Milz war verletzt und es wurde Parasitenbefall festgestellt. An eine Präparation des Tieres war nicht zu denken, deshalb wurde es skelettiert. Gerne hätte das Naturmuseum das ganze Skelett ausgestellt. Aufgrund der Kosten musste aber vorerst darauf verzichtet werden. Die vielen, teilweise sehr kleinen Knochen müssen alle einzeln behandelt und miteinander verbunden werden. Eine aufwendige und anspruchsvolle Puzzlearbeit, die ins Geld gehen kann. Daher wird in der Ausstellung lediglich der Schädel des Tieres zu sehen sein.
Wölfe waren früher auch im Thurgau verbreitet, die ältesten Nachweise sind ca. 5400 Jahre alt. Unsere Vorfahren assen die Tiere vermutlich sogar und so fanden sich Wolfsknochen in ihren Schlachtabfällen. Über Jahrtausende hinweg waren die Tiere hier heimisch, erst vor rund 200 Jahren verschwanden sie. Grund dafür war der Mangel an Beute. Weil die Wälder für die Gewinnung von Bauholz und Agrarland abgeholzt wurden, verschwanden auch die waldlebenden Beutetiere der Wölfe. Im 18. Jahrhundert war beispielsweise das Reh praktisch ausgestorben. Der Wolf wich auf Haustiere aus, weshalb er von den Menschen noch intensiver bejagt wurde.
Wie ihm erging es auch den anderen grossen Raubtieren: Erst verschwand der Bär, dann der Wolf, schlussendlich der Luchs. Nun, da das Nahrungsangebot wieder zugenommen hat, kehren die grossen Beutegreifer zurück – noch nie gab es in der Schweiz so hohe Bestände an Gämsen und Rehen wie heute. Auch existieren inzwischen im südlichen Europa bereits wieder grössere Populationen, vor allem männliche Tiere weichen daher gegen Norden aus. In der Schweiz ist die Rückkehr des Wolfs seit 25 Jahren im Gang. Höchste Zeit also, sich mit ihm auseinanderzusetzen. Denn der Wolf ist zurück – und er wird wohl auch bleiben.
Mit der Ausstellung «Der Wolf – wieder unter uns» begeht das Naturmuseum Neuland: Da sie vom Naturhistorischen Museum Freiburg konzipiert wurde, ist sie dreisprachig. Zum ersten Mal wird es daher (neben einer deutschsprachigen) auch eine französische und eine englische Führung durch die Ausstellung geben. Hannes Geiser, Direktor des Museums, kann sich gut vorstellen, dass mehrsprachige Ausstellungen in Zukunft im Naturmuseum die Regel sein könnten. Das würde nicht zuletzt auch zusätzliche Märkte beim Weitervermieten der Ausstellungen eröffnen und damit den Bekanntheitsgrad des Museums, das die Ausstellung produziert, weiter erhöhen.