Direkt zum Inhalt springen
  • Drucken
  • Sitemap
  • Schriftgrösse

Gartengeschichte und Garten-Geschichten

2021 findet das erste Gartenjahr am Bodensee statt. Ein vielfältiges Angebot an Veranstaltungen inklusive zweier (Landes-)Gartenschauen in Überlingen und Lindau erwartet die Besucherinnen und Besucher. Der richtige Zeitpunkt also, um auf Tausende Jahre Gartenbaugeschichte zurückzuschauen. Seit mehr als 7'000 Jahren wird am «Schwäbischen Meer» Gartenbau betrieben. Doch unsere Zeitreise führt sogar noch weiter zurück. Ein Thema, welches auch so manchen Bezug zu den Thurgauer Museen hat.


Im Archäobotanischen Garten Frauenfeld lernt man eine Vielfalt historischer Kulturpflanzen kennen.

Schon um 15'000 vor Christus nutzten die Menschen die Pflanzenwelt intensiv. Bei den Pfahlbauern kannte man dann bereits eigene Bereiche für Pflanzen. Dort wurden Äpfel, Beeren und Getreide angebaut – man kann also mit Fug und Recht von den ersten Nutzgärten reden. Mehr über diese Zeit erfahren Sie im Archäobotanischen Garten des Naturmuseums Thurgau  bzw. des Museums für Archäologie Thurgau. Auf rund 300 Quadratmetern können Besucherinnen und Besucher in Frauenfeld die schier unermessliche Vielfalt der historischen Kulturpflanzen am Bodensee kennenlernen. Nebst alten Getreide- oder in Vergessenheit geratenen Gemüse- und Beerensorten finden sich Medizinal- und Gewürzkräuter oder die früher so unentbehrlichen Färberpflanzen.

Lustgärten des Mittelalters

Ende des 14. Jahrhunderts gehörte der Arenenberg in Salenstein unter dem Namen Narrenberg einem vermögenden und einflussreichen Kaufmann. Der Narrenberg bestand aus mehreren Häusern und Höfen mit Wein- und Baumgärten sowie einem Lustgärtlein. Schon die Römer hatten hier gesiedelt.
2014, zum 600. Jubiläum des Konstanzer Konzils, erstellte das Napoleonmuseum im Rahmen der heutigen Arenenberger Gartenwelt eine freie Rekonstruktion des spätmittelalterlichen Lustgärtchens. Die Wissenschaftler und Gartenbauer bezogen sich dabei auf Ideen des Albertus Magnus: Rasen aus blühenden Gräsern, darum herum Beete mit Duftkräutern, Rasenbänke und in der Mitte eine gefasste Quelle. Der Brunnen diente zur Bewässerung des Gartens, stand aber auch als Symbol für den geheimsten Teil des Paradieses.


Die meiste Zeit verbrachte der Kartäuser in seiner Zelle – und im eigenen kleinen Garten.

Renaissance, Barock und vieles mehr aus der Moderne

1461 übernahm der Kartäuser-Orden ein heruntergekommenes und teilweise zerstörtes Augustiner-Kloster: Ittingen. Um die Geschichte der Ittinger Gärten zu verstehen, muss man wissen, dass Kartäuser ein Eremiten-Orden sind. Den grössten Teil seines Lebens verbringt der Kartäuser in seiner Zelle. Dort isst er, dort studiert er und pflegt seinen eigenen kleinen Garten. Dieser liefert ihm seine Nahrung, denn Kartäuser sind Vegetarier. Ein Kartäuser verpflichtet sich zum Schweigen. Nur einmal in der Woche unterbrechen die Mönche diese Regel und treffen sich zum Spazierengehen in der Natur.
1848 wurde Ittingen als Kloster aufgehoben und in ein landwirtschaftliches Mustergut umgestaltet. 1977 übernahm die Stiftung Kartause Ittingen die Anlage. In den einstigen Klostergebäuden befinden sich auch das Kunstmuseum und das Ittinger Museum des Kantons Thurgau. Über die historischen Gärten selbst sind kaum Schriftquellen erhalten geblieben, Abbildungen der Kartausen bieten aber reiches Anschauungsmaterial. Darauf erkennt man zum Beispiel, dass auch die kleinen Mönchszellen ornamental gestaltete Gärtchen besassen.
Das Thymianlabyrinth oder die Heilpflanzen-, Wein-, Hopfen- und Obstgärten greifen alle auf historische Spuren zurück. Besonders berühmt ist der Rosengarten. Mit über 700 Pflanzen und mehr als 200 Sorten verkörpert er die grösste Sammlung historischer Rosen der Schweiz.


Der Arenenberger Park vergrössert sich dank der geschickten Inszenierung ins fast Unendliche.

Arenenberg und die Côte Napoléon

Schon die Römer siedelten auf dem Arenenberg und betrieben Weinbau. Um 1530 entstand ein terrassierter Renaissance-Lustgarten mit herrlicher Aussicht in Richtung See, rund 200 Jahre später ein englischer Landschaftspark.
1816 verliebte sich Hortense de Beauharnais, Stieftochter und Erbin Kaiser Napoleons I., in den Landsitz und begann sofort eine ihrer grössten Leidenschaften auszuleben: den Gartenbau.  Hortense liess die gesamte Liegenschaft umgestalten. Beraten wurde die Königin in dieser ersten Phase durch Louis-Martin Berthault, der noch stark der reinen Lehre des englischen Landschaftsparks anhing. Sein meisterhaftes Spiel mit dem Zusammenwirken von Wasser, Wald, Schluchten und Felsen bestimmt die Arenenberger Parkanlage bis heute und wirkte vorbildhaft für ähnliche Parks. Nach den Ideen von Louis Napoléon und Hortense entstand eine Art Garten der Welt. Obwohl sich der Arenenberger Park mit nur ca. 13 Hektar relativ klein präsentiert, vergrössert er sich dank der geschickten Inszenierung vor dem inneren Auge der Betrachterin und des Betrachters ins Unendliche.
Kaiserin Eugénie, die Witwe Napoleons III., stiftete Arenenberg 1906 dem Kanton Thurgau und bestimmte, dass sich darin ein Museum und eine öffentliche Nutzung befinden müssten. Der Landschaftspark geriet aufgrund anderweitiger Nutzung immer mehr in Vergessenheit und fiel der Verwilderung anheim. Über 90 Jahre sollte es dauern, bis durch das Napoleonmuseum zunächst eine intensive Erforschung der Parkanlage einsetzte. Die Stiftung Napoleon III ist besorgt darum, dem historischen Park durch eine fundierte Restaurierung und eine sensible Rekonstruktion seine ursprüngliche Schönheit zurückzugeben.
Wahrscheinlich ist es der Zusammenarbeit zwischen dem späteren Kaiser Napoleon III. und Fürst Hermann von Pückler-Muskau zu verdanken, dass sich – ausgehend von Arenenberg – zwischen der Insel Mainau, Kreuzlingen-Konstanz, der Insel Reichenau und Stein am Rhein bzw. Schaffhausen gerade das Südufer des Sees in ein wahres Gartenreich verwandelte.
Und so ist es eine schöne Reminiszenz, dass ab 1855 Kaiser und Fürst den Bois de Boulogne, das grosse Park- und Waldgebiet westlich von Paris, umgestalteten und darin eine Kopie des Bodensees schufen – mit einem Lac Supérieur (Obersee), einem Lac Inférieur (Untersee) und einer Île (Insel Reichenau).

Literaturhinweis

Dominik Gügel, "Die schönsten Bodenseegärten – Eine spannende Zeitreise" (erscheint voraussichtlich Ende Mai 2021)

Gartenjahr am Bodensee

Die inhaltliche und operative Leitung des Projekts liegt beim Verein Bodenseegärten e.V., dem zentralen Netzwerk der grünen Aktivitäten rund um den See. Der Verein hat seinen Sitz auf Schloss Arenenberg, alle genannten Museen/Gärten sind aktive Mitglieder im Verein. Mehr Informationen zum Gartenjahr: www.gartenjahr2021.eu

Weitere Informationen

https://tinyurl.com/archaeobotanischer-garten

https://tinyurl.com/Gartenwelt-arenenberg

https://www.kartause.ch/de/kultur?f=Gärten