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Jetzt Ostschweizer Kunst wiederentdecken

Noch bis 18. September 2022 kann man in der Ausstellung «Gelobt, gepriesen, vergessen» Künstlerinnen und Künstler wiederentdecken, die einst berühmt, inzwischen aber fast ganz unbekannt sind. Drei der vergessenen Ostschweizer Kunstschaffenden, deren Werke jetzt im Kunstmuseum Thurgau gezeigt werden, möchten wir in diesem Text kurz vorstellen.

Mathilde van Zùylen (1842–1914)
Der Vater von Sophie Mathilde Ammann gehörte zu den reichsten Bürgern Ermatingens und verkehrte mit dem gleichaltrigen Prinz Louis Napoléon (dem späteren Kaiser Napoléon III.) auf dem Arenenberg. Mathilde war somit Teil der vornehmen Gesellschaft des Thurgaus und erhielt die bestmögliche Ausbildung in renommierten sogenannten «Instituten für höhere Töchter». Mit zur Ausbildung gehörten auch der Besuch in einem der «Damenateliers» der Weimarer Akademie und Privatstunden bei Karl Gussow.
Nur wenige Wochen nach ihrer Hochzeit 1870 mit Freiherr van Zùylen-van Nyevelt verstarb der zehn Jahre ältere Ehemann und die junge Witwe kehrte in den Thurgau zurück. Sie liess sich in Gottlieben nieder, wo sie das Waaghaus und die Drachenburg erwarb, und unternahm Reisen nach Paris und München. Um die Jahrhundertwende bildete sich um Mathilde van Zùylen eine Kolonie bekannter Maler und Literaten. 

Van Zùylens Werk besteht hauptsächlich aus Porträts von Bekannten und Familienmitgliedern. Es gibt keine Informationen darüber, dass sie sich je an Ausstellungen beteiligt oder Bilder verkauft hat. Als wohlversorgte Frau gab es für sie keinen Grund dazu. Die Künstler- und Literatenkolonie um Mathilde van Zùylen aber war eine der frühesten professionellen Kunst- und Literaturszenen im Thurgau.

Theo Glinz (1890–1962)
Der St. Galler war Sohn eines Zeichenlehrers, und so ist es kein Wunder, dass Theo Glinz' Talent schon früh gefördert wurde. Er erhielt eine fundierte Ausbildung, zunächst als Stickereizeichner in seiner Heimatstadt, dann in den damals renom¬miertesten Ausbildungsstätten in Paris und München. Einige Jahre lebte er bei Siena in Italien, um zurück in der Schweiz als Kunstlehrer, Zeich¬ner für den Nebelspalter und freier Maler zu arbeiten. Er zeigte seine Gemälde und grafischen Blätter in vielen Ausstellungen und gewann Wett¬bewerbe für Kunst im öffentlichen Raum.

Seine frühen Werke waren stark geprägt durch die akademische Ausbildung. In zwei Selbstporträts überhöhte er sein eigenes Künstlertum und feierte die Freundschaft mit seinen Künstlerkollegen. Während und nach dem Ersten Weltkrieg entstanden Bilder von jungen Frauen in manie¬rierten Posen. Verkaufserfolge feierte Glinz aber vor allem mit seinen Stillleben oder anspruchslosen Landschaften. 
Ab 1927 lebte er in Schloss Horn am Bodensee, wo er 1962 starb. Nach Glinz' Tod und einer Gedächtnisausstellung im Kunstmuseum St. Gallen verblasste die Bekanntheit des Künstlers bald. Heute kennt kaum jemand mehr seinen Namen. In seinem Nachruf ist wenig schmeichelhaft zu lesen: «Seine Malereien brauchen nicht tiefsinnig gedeutet zu werden. Sie beglücken einfach durch die Magie der Farben …»

Charlotte Kluge-Fülscher (1929–1998) 
Die angesehene Künstlerin wuchs in einer Künstlerfamilie auf dem Räuchlisberg bei Amriswil auf. Schon mit 17 Jahren zog sie nach Zürich, wo sie die Kunstgewerbeschule besuchte und ihre Ausbildung 1951 erfolgreich mit einem Diplom der Fachklasse Grafik abschloss. Auf ausgedehnten Reisen nach Frankreich, England und Italien und während eines Studienaufenthalts in Florenz vertiefte sie das Gelernte.

Nach ihrer Rückkehr zog Kluge-Fülscher zurück auf den Räuchlisberg, wo sie als freischaffende Künstlerin mit Naturstudien und dem Experimentieren in verschiedensten Techniken begann. Sie beschäftigte sich mit einem breiten Spektrum an Ausdrucksformen, das von grafischen Blättern über Zeichnungen, Gebrauchsgrafiken und Kinderbuchillustrationen bis zu Acryl- und Ölgemälden, Wandteppichen oder Holzskulpturen reichte. In ihren Bildwelten tauchen sehr oft Tiere oder Szenen aus Märchen und Sagen auf, und sie setzte sich intensiv mit ihren Träumen auseinander. In ihren Tagebüchern gibt es Hunderte von Einträgen, in denen sie ihre Träume schildert.

Ihre erste Einzelausstellung fand im Jahr 1961 in der «Galerie Gampiross» in Frauenfeld statt. Es folgten zahlreiche Ausstellungsteilnahmen sowohl im Thurgau als auch schweizweit und vereinzelt sogar im Ausland. Dennoch war ihr Schaffen gleichermassen bestimmt durch die Suche nach gestalterischer Freiheit wie durch den Zwang, den Lebensunterhalt verdienen zu müssen. Neben dem Verkauf ihrer Bilder und anderer künstlerischer Arbeiten unterrichtete sie an der Kantonsschule in Frauenfeld, erledigte grafische Aufträge oder gab Kurse in Bauernmalerei. 

Kommen Sie auf Entdeckungsreise
Die Ausstellung «Gelobt, gepriesen, vergessen – Von der Vergänglichkeit des Ruhms» zeigt ein breites Spektrum an Arbeiten einst bekannter Künstlerinnen und Künstler. Das Kunstmuseum Thurgau befindet sich in der einzigartig schönen Kartause Ittingen und hat von Montag bis Sonntag, 11–18 Uhr geöffnet.