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Nachlässe und der Kampf gegen das Vergessen

Was machen mit dem Nachlass eines verstorbenen Künstlers, einer leidenschaftlichen Sammlerin oder auch dem Sicherstellen einer Zukunft des eigenen Werkes? Viele stellen sich diese Fragen zu spät oder gar nicht. Wir haben Cornelia Schedler, Tochter des Thurgauer Künstlers Jacques Schedler, besucht. Begleitet wurden wir von Markus Landert, Direktor des Kunstmuseums Thurgau.


Cornelia Schedler vor ihrem Lieblingswerk aus der Hand des Vaters.

Cornelia Schedler empfängt uns in ihrem Elternhaus, wo sie noch immer wohnt, nicht weit von der Kartause Ittingen entfernt. Als Kind spielte sie oft im Atelier ihres Vaters, des bekannten Malers, Illustrators, Karikaturisten und Grafikers Jacques Schedler. «Wenn er eine Skizze verwarf, liess er sie einfach zu Boden fallen. Und ich habe sie dann ausgemalt.» Heute ist Cornelia Schedler selbst Künstlerin – auch wenn ihre eigene Arbeit in letzter Zeit etwas zu kurz kommt. «Seit dem Tod meines Bruder vor zwei Jahren kümmere ich mich um den Nachlass unseres Vaters. Ich versuche, möglichst viele Bilder und Zeichnungen unter die Leute zu bringen. Teilweise kaufe ich aber auch Bilder zurück, meist von den Erben der Käufer.»

Bilder gehören an die Wand

«Leider machen sich viele Künstlerinne und Künstler oder ihre Erben zu spät oder gar keine Gedanken, was dereinst mit dem Werk geschehen soll», wirft Markus Landert, Direktor des Kunstmuseums Thurgau, ein. «Es wäre sicher gut, das frühzeitig aufzugleisen.» Im Schnitt einmal im Jahr erhält er eine Anfrage, berät Kunstschaffende oder ihre Erben über die Möglichkeiten. «Das Wichtigste ist, dass die Werke sichtbar bleiben: Bilder gehören an die Wand. Daher kaufen wir als Museum nur ausgewählte Werke, die unsere Sammlung und damit die Dokumentation der Kunstszene Thurgau vervollständigen. Es macht keinen Sinn, einfach nur die Depots zu füllen.»
Zuallererst sollte man sich darüber klar werden, was überhaupt erhalten werden soll. «Die Verantwortlichen müssen Wichtiges von weniger Wichtigem unterscheiden und den Mut haben, Werke einfach wegzuwerfen.» Das ist oft ein schmerzhafter Prozess, aber nur dadurch wird es möglich, sich auf die Aufgabe zu fokussieren. Markus Landert unterscheidet zwei Varianten, wie man mit einem Nachlass umgehen kann:
Erstens: Alles verkaufen und verschenken, was möglich ist. Den Rest wirft man schweren Herzens fort. «Man sollte sich eine Frist setzen, sonst schiebt man das ewig vor sich her. Natürlich gibt es immer ein paar Werke, die man selbst behalten möchte. Auch hier gilt es zu regeln, was nach dem eigenen Ableben damit geschehen soll.» Um möglichst viele Werke unter die Leute zu bringen, sollte man bestehende Beziehungen nutzen, beispielsweise zu möglichen Käuferinnen und Käufer oder zu Galerien. Man kann sich auch an Institutionen und Museen wenden, welche einen Bezug zum Werk haben, oder an passende Auktionshäuser. Lieber verschenkt man etwas, als dass man es vernichten muss. «Der Nachlass von Johannes Diem landete direkt im Brockenhaus. Gott sei Dank hat ein Angestellter dort das Kunstmuseum kontaktiert. Wir erstanden ein paar Schlüsselwerke – zu durchaus marktkonformen Preisen. In der Folge schenkte das Brockenhaus dem Museum Hunderte von Zeichnungen des Künstlers. Wir haben diese gesichtet und einen Teil davon in die Museumssammlung übernommen, einen weiteren Teil aber an einen Galeristen zum Verkauf weitergegeben – somit waren dann auch die Kosten für die Ankäufe gedeckt.»


Cornelia Schedler und ihr Vater Jacques.

Die zweite Möglichkeit im Umgang mit Nachlässen ist es, einen Verein oder eine Stiftung zu gründen, die das Werk in Erinnerung zu halten versucht. Der Verkauf einzelner Werke kann bei der Finanzierung mithelfen. «Bei diesem Weg ist entscheidend, eine stabile Trägerschaft zu finden, die das Werk über eine längere Dauer pflegt und weiterträgt. Auf jeden Fall ist es wichtig, Öffentlichkeit zu schaffen. Ein Werkkatalog hilft, die Übersicht zu bewahren, wichtiger sind aber eine Website und Einträge in Künstlerregister oder auf Wikipedia.

Museumsgespräch über den Umgang mit Nachlässen

Nach unserem Gespräch bedankt sich Cornelia Schedler für die Tipps. «Ich habe viele Anstösse erhalten, die ich jetzt vertiefen muss.» Cornelia Schedler nimmt auch am Anlass teil, der am Dienstag, 23. August um 19 Uhr im Kunstmuseum Thurgau stattfindet. Markus Landert wird dort die Thematik ansprechen und anschliessend ein Podiumsgespräch mit Erben von Thurgauer Künstlern führen. Neben Cornelia Schedler nehmen Eva Ermatinger, Tochter des Schaffhauser Künstlers Beat Ermatinger, und Thomas Buchmann, Sohn von Mark Buchmann, Thurgauer Künstler und Direktor der Kunstgewerbeschule Zürich, teil.

«Vom Umgang mit Nachlässen». Anmeldung und mehr Informationen