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Die Geschichte des Todes

Schon bei den Neandertalern sind Bestattungsrituale nachgewiesen. Bis in die heutige Zeit beschäftigt die Menschen ihre Endlichkeit – auch wenn sich der Umgang mit dem Thema und die dazugehörigen Riten immer wieder verändert haben. Im Museum für Archäologie schafft die Dauerausstellung «Anderswelten» einen Zugang zum Thema.

Wenn wir die Rituale untersuchen, welche im Verlauf der Geschichte beim Tod eines Mitmenschen ausgeführt wurden, können wir uns fast ausschliesslich auf Erdbestattungen berufen. Schlicht und einfach, weil von anderen Bestattungsformen keine aufzufindenden Überreste geblieben sind. Wir wissen aber, dass bis heute Bestattungsformen wie Verbrennung ohne Beisetzung der Überreste, Wasserbestattungen und anderes in vielen Kulturen gelebt werden.

Aus diesem Grund gibt es ganze Epochen, in denen kaum Überreste einer wie auch immer gearteten Bestattungskultur aufzufinden sind. So existieren von den Pfahlbauern, einer ansonsten im Thurgau sehr gut dokumentierten Zeit, praktisch keine Hinweise auf Bestattungen. Und selbst wenn aus einer Epoche Grabfunde bestehen, ist damit noch nicht geklärt, ob diese Art der Bestattung Ausnahme oder Regel war. Aus der Jungsteinzeit beispielsweise konnte man in der Schweiz sowohl Brand- als auch Körperbestattungen finden, Einzel- wie Kollektivgräber.

Für Archäologen ist die Bronze- und Eisenzeit sehr ergiebig. In den Grabhügeln wurde oft eine Unmenge von Grabbeigaben mitbestattet: Waffen, Diwane, Wagen und Rösser. Wein und Bronzegefässe aus dem Mittelmeerraum sollten aufzeigen, wie wohlhabend eine Person beziehungsweise die Familie war.


Spätrömische Grabbeigaben wurden beispielsweise in Pfyn gefunden.

Auch innerhalb eines Zeitalters können sich die Riten ändern. Bei den Römern waren bis ins dritte Jahrhundert Feuerbestattungen die Regel. Grabbeigaben gab es nur wenige, für bedeutende Personen wurden aber ganze Mausoleen gebaut. Zur Bezahlung des Fährmannes, der einen auf die andere Seite übersetzte, wurden den Toten Münzen mitgegeben. Starb hingegen ein Säugling, der noch keine Zähne hatte, verbrannte man ihn nicht, sondern begrub ihn im Haus. Üblicherweise bestatteten die Römer ihre Toten nämlich entlang den Hauptstrassen ausserhalb der Siedlung. Je bedeutender jemand war, desto näher wurde sie oder er an der Strasse bestattet. Mit dem Christentum als führende Religion wurde die Körperbestattung dann im vierten Jahrhundert zur Regel. Die «Unversehrtheit» des Körpers war wichtig für die Wiederauferstehung nach dem Jüngsten Gericht.

Nach dem Untergang des Römischen Reiches waren die Alemannen Herren über den heutigen Thurgau. Ihre Toten bestatteten sie in Reihengräberfeldern. Um den sozialen Stand darzustellen, wurden die Grabbeigaben wieder üppiger: Männer bestattete man mit ihren Waffen, Frauen mit ihrem Schmuck. Freien Menschen wurden auch Kämme ins Grab mitgegeben, denn nur sie hatten das Recht, lange Haare zu tragen.

Als im 8. Jahrhundert das Christentum wieder aufkam, änderten sich die Begräbnisriten erneut. Es war wichtig, auf dem Friedhof, in geweihter Erde, bestattet zu werden – je näher am Altar, desto besser. Reiche Menschen leisteten sich Grabkapellen innerhalb der Kirchenmauern oder bezahlten für ihr Seelenheil mit kostspieligen Gedenkgottesdiensten. Ungetaufte Kinder wurden entweder für Aufpreis direkt neben der Kirche begraben, damit das Wasser vom Dach des geweihten Gebäudes auf ihre Gräber fiel. Oder man «wiederbelebte» die kleinen Leichname kurzfristig an bestimmten Wallfahrtsorten, um sie schnell zu taufen, ehe sie begraben wurden. Kurz: Der Tod war ein lukratives Geschäft für die Kirche, das erst mit der Reformation ins Stocken geriet.


Dauerausstellung «Anderswelten» im Museum für Archäologie

Die Dauerausstellung «Anderswelten» im Untergeschoss des Museums für Archäologie widmet sich aber nicht nur historischen Aspekten, sondern stellt auch Fragen zu unserem aktuellen Umgang mit dem Tod. Heute wird er meist verdrängt, viele Menschen sehen in ihrem Leben keinen einzigen Toten und selbst Katholiken werden grossmehrheitlich kremiert – auch aus ökonomischen Gründen. Sehr spannend in diesem Zusammenhang sind die Audiodokumente, in denen Todkranke oder sogenannte «Fährfrauen» von ihrem Umgang mit dem Tod erzählen.