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Industriegeschichte erwacht zum Leben

Der Thurgau gilt als landwirtschaftlich geprägt. Doch dieses Bild täuscht. Dominiert heute der Dienstleistungssektor, so waren bis in die 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts 50 Prozent der Arbeitnehmenden in der Industrie beschäftigt. Mit dem Projekt meineindustriegeschichte.ch sammelt das Historische Museum Thurgau Geschichten aus dieser Zeit. Dabei kommen auch viele Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zu Wort.

Historikerinnen und Historiker befinden sich in einem pausenlosen Kampf gegen das Vergessen. Im Kanton Thurgau ist insbesondere die Industriegeschichte in Gefahr, diesem Vergessen anheimzufallen. Es ist meist unmöglich, ganze Industrieanlagen auszustellen, schon gar nicht funktionstüchtig. Aber auch kleinere Objekte verdienen unsere Aufmerksamkeit und haben eine spannende Geschichte zu erzählen.


Das Velo, mit dem Ferdy Kübler die Tour de France gewann.

So kann man auf der Website Fotos von alten Maschinen, zum Beispiel aus der Textilindustrie, entdecken, deren Funktionsweise auch kurz beschrieben wird. Aber auch das Velo, mit dem Ferdy Kübler als erster Schweizer die Tour de France gewann, stammt aus dem Thurgau und wird auf der Seite vorgestellt.

«Oral History» – Zeitzeugen melden sich zu Wort
Kernstück der Website, die seit 2014 online ist, sind aber sicher die Interviews. Industrielle, Arbeiter und Arbeiterinnen sowie Fachkräfte kommen zu Wort. Bekannt ist diese Vorgehensweise auch unter dem Begriff «Oral History». In gut konsumierbaren, wenige Minuten langen Kurzfilmen wird jeweils ein Thema kurz angeschnitten. Die Interviews in ihrem gesamten Umfang sind selbstverständlich sicher archiviert. Die Gespräche decken viele verschiedene Bereiche ab. Ging man zu Beginn vor allem die Unternehmen an, welche ihre Firmengeschichte beleuchteten, kamen mit der Zeit immer mehr Themen aus dem Alltag hinzu, beispielsweise zu Geschlechterrollen oder der Migrationsgeschichte.

Caterina Eichmann-Ferrantino über die Lebensbedingungen als Migrantin.

So kommt beispielsweise Kurt Zimmerli zu Wort, Designer der bekannten SIGG Bottles. Maria De Cicco kam in den 60er-Jahren im Alter von 16 Jahren aus Italien nach Kreuzlingen und kann vieles über Frauenarbeit und die Situation der Gastarbeiter und Gastarbeiterinnen der damaligen Zeit erzählen. Wie erwähnt, tragen aber auch Unternehmer wie Robert Sallmann von ISA bodywear viel Spannendes zur Website bei.

Aufmerksam auf die Interviewparter und -partnerinnen wird das Historische Museum Thurgau auf den verschiedensten Wegen: durch eigene Recherchen, über Mund-zu-Mund-Empfehlungen oder die Teilnahme von Personen an Veranstaltungen wie den «Museumshäppli», die monatlich stattfinden. Es gestaltet sich oft schwierig, die Menschen davon zu überzeugen, dass ihre Erinnerungen wertvoll sind. Viele finden, sie hätten ein ganz normales, ja langweiliges Leben geführt. Wer aber die Filme auf meineindustriegeschichte.ch anschaut, wird uns beipflichten: Jedes Leben ist spannend und beinhaltet Geschichten, die es wert sind, bewahrt zu werden. Manche der Gesprächspartnerinnen und -partner sind nicht mehr unter uns – ein Teil ihrer Erinnerungen bleibt erhalten.

Auch als Chauffeur konnte August Jud nicht von der Landwirtschaft lassen.

Jetzt sind Sie an der Reihe!

Die Website wächst immer weiter und so ist die Projektverantwortliche Dr. Petra Hornung Gablinger immer auf der Suche nach neuen Geschichten, die das Bild des Industriestandorts Thurgau und des damaligen Lebens beleuchten. Vielleicht kennen Sie jemanden, der infrage kommt, oder sind selbst bereit, Ihre Erinnerungen zu teilen. Frau Hornung freut sich auf Ihre Kontaktaufnahme.

Ein Verzeichnis vieler weiterer spannender «Oral History»-Projekte finden Sie hier.