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Eine Heilige unter der Lupe

Im Juni 2021 haben wir an dieser Stelle vom Ankauf einer kleinen Miniatur berichtet, die möglicherweise im 14. Jahrhundert im Kloster St. Katharinental angefertigt wurde. Inzwischen konnte sie eingehend analysiert werden und hat einige spannende Geheimnisse preisgegeben. Lesen Sie hier, was die Untersuchungen mittels bildgebender Methoden «unserer» heiligen Katharina ergeben haben.


Abb. 1: Unterzeichnungen im UV-Licht

Das Team des Historischen Museums Thurgau war begeistert, als die Darstellung der Schutzheiligen des Klosters St. Katharinental auf den Markt kam und es gelang, das Stück zu ersteigern. Schliesslich befinden sich in der Museumssammlung bereits zwei weitere Miniaturen, welche augenfällige Ähnlichkeiten mit der Illustration aufweisen. Es stellte sich unweigerlich die Frage, ob die drei Stücke aus derselben Werkstatt oder gar demselben Gesangsbuch stammen könnten. So stimmen auffallend viele stilistische Merkmale überein: das fein gekräuselte Haar der Figuren, die Verwendung goldener Hintergründe oder die leuchtendroten und -blauen Farbtöne – vor allem aber die Eckverzierungen in Gold mit blauem Grund sowie die blauen Motive in den Umrahmungen.

Um mehr über die Illustrationen zu erfahren, wurden sie am Schweizer Institut für Kunstwissenschaft in Zürich einer aufwendigen kunsttechnologischen Untersuchung unterzogen. Abschliessend beweisen lässt sich zwar nicht, dass die heilige Katharina aus demselben Umfeld stammt wie die beiden anderen Abbildungen, aber es ergaben sich eindeutige Indizien, die darauf hindeuten. So weisen die gelben und ockerfarbenen Haarpartien aller drei Illustrationen kleine Körner auf – ein starker Hinweis darauf, dass es sich um die gleiche Farbmischung handeln könnte. Hält man sich vor Augen, dass der Farbauftrag der Bilder nach einer spezifischen Reihenfolge erfolgte, ist die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass der Maler, welcher für die gelben und ockerfarbenen Malschichten zuständig war, die drei Miniaturen zeitnah illuminierte (Abb. 2, rechts). Ein weiteres Übereinstimmungsmerkmal betrifft das Stufenmotiv im Rahmen der Miniaturen. Da die Farben dort abgetragen sind, kommen die Unterzeichnung und die Weisshöhung darüber zum Vorschein (Abb. 2, links).


Abb. 2:   Stufenmotiv mit Unterzeichnung und Weisshöhung, Körner in den gelben und ockerfarbenen Haarpartien

Die hochspezifischen technischen Geräte, mit deren Hilfe die drei Miniaturen im UV- und Infrarotlicht oder in starker mikroskopischer Vergrösserung mit Streiflicht untersucht wurden, gaben weitere Geheimnisse preis.

So liess sich deutlich erkennen, dass die Farben nacheinander, also in Schichten, aufgebracht wurden – was die Malerei, aus der Nähe betrachtet, dreidimensional erscheinen lässt. In einem ersten Schritt, vor der Bemalung, wurde das Pergament geglättet (abgeschliffen) und geweisst. Auf dieser Grundierung brachte man mit Metallstiften aus Blei bzw. Silber oder mit dem Pinsel bzw. der Feder in Tinte die Unterzeichnung auf. Das kann man in Abb. 1 gut erkennen, auf der die skizzierten Faltenwürfe der langen Kleider deutlich ersichtlich sind.

Nach der Vorzeichnung folgte der Farbauftrag. Zunächst wurde das Blattgold aufgelegt und mit einem Stein blank poliert. Darüber kamen die deckenden Farbschichten in einer bestimmten Reihenfolge. Es folgte der transparente Farbauftrag, mit dem beispielsweise Faltenwurf und Lichthöhungen dargestellt wurden. Zu guter Letzt wurden mit feinem Pinsel die Konturen gemalt.

Das alles deutet darauf hin, dass im Skriptorium, der Schreibstube, eine Arbeitsteilung herrschte. Ähnlich wie in einem Trickfilmstudio des 20. Jahrhunderts gab es wohl mehrere Koloristen, welche für die Farbaufträge – eine Farbe nach der anderen – zuständig waren, bis schlussendlich der Werkstattchef die Schattierungen, Höhungen und Konturen anbrachte und auch anspruchsvolle Partien wie die Gesichter malte. Mit einer solch effizienten Arbeitsweise liessen sich prachtvoll gestaltete Bücher in grosser Anzahl bewerkstelligen.

Zurück zur Spurensuche. Auch die Rückseiten der Miniaturen wurden in die Untersuchung miteinbezogen. Dabei ergab sich ein bemerkenswerter Befund: Die Abstände zwischen den Notenlinien der drei Blätter sind identisch – ein weiteres Indiz dafür, dass die drei Illustrationen aus demselben Umfeld stammen könnten.