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Weinberg Arenenberg

Wahrscheinlich rümpften nicht wenige die Nase, als Napoléon III. Thurgauer Wein am französischen Hof einführte. Dabei wurden auf dem Arenenberg wohl schon seit der Römerzeit Trauben kultiviert. Und vor knapp hundert Jahren war der Wein vom Schlossgut sogar Mittelpunkt einer berühmten Schmuggleraffäre.


Blick von Arenenberg über den Weinberg auf den Untersee

Schon zu römischen Zeiten war der «Narrenberg», wie er früher hiess, bevölkert. Bei einer Grabung 2004 fand man in den römischen Fundorten auch Trinkgefässe für Wein. Und da von anderer Stelle bekannt ist, dass die Römer im Thurgau nicht nur Wein konsumierten, sondern ihn auch anbauten, kann man davon ausgehen, dass sie dies auch auf dem Arenenberg taten.

Es ist anzunehmen, dass der Weinanbau auf dem Arenenberg seit diesen antiken Zeiten ununterbrochen weiter gepflegt wurde. Schon die allererste Quelle, in welcher der «Narrenberg» erwähnt wird, spricht davon. Im historischen Domherren-Weinkeller unter dem Münster Konstanz wurde dann auch so manche Flasche mit der Herkunftsbezeichnung Arenenberg gefunden.

Im Mittelalter baute man wahrscheinlich vor allem Elbling (Weissweintraube) und Bodensee-Blauburgunder an. Aus dieser Zeit ist auch ein kleines Handbuch über die Kunst, auf dem Arenenberg Wein zu kultivieren, erhalten. Es befindet sich heute in einem Kloster in Oberschwaben. Der Arenenberg Wein schien bis ins 18. Jahrhundert hinein ziemlich begehrt zu sein und wurde selbst in Bayern getrunken. So ist auch überliefert, dass zum Düngen der Reben Dung aus dem St. Gallischen importiert werden musste – vor Ort gab es nicht ausreichend Vieh.

Auch als Hortense de Beauharnais, Stieftochter und gleichzeitig Schwägerin von Napoléon Bonaparte, den Arenenberg 1817 kaufte, stand da nach wie vor ein Weinberg. Der etwas saure Elbling mundete der ehemaligen Königin von Holland aber nicht besonders und so liess sie die sehr süssen, aber widerstandsfähigen Rebstöcke der Sorte Fontainebleau anbauen. Noch heute ist einer der beiden Weinkeller aus dieser Zeit erhalten.

Louis Napoléon, Sohn von Hortense, 1848 zum Staatspräsidenten der Französischen Republik gewählt, putschte sich 1851 mit einem Staatsstreich zum Diktator und ernannte sich im Jahr darauf zu Napoleon III., Kaiser der Franzosen. Aufgewachsen im Thurgau sprach er nicht nur perfekt Deutsch (wahrscheinlich sogar mit Thurgauer Einschlag), sondern führte auch einige Dinge von hier am kaiserlichen Hof ein. Neben seinem geliebten Thurgauer Wein zum Beispiel auch Bier, welches vorher in Frankreich kaum getrunken wurde, oder den Christbaum. Dieser Brauch war im Frankreich jener Zeit unbekannt.

Auch als Eugenie, die Witwe Napoleons III., Arenenberg 1906 dem Kanton Thurgau schenkte, wird der Weinbau fortgeführt. Und so kommt es, dass auf dem Arenenberg in den 1920er-Jahren eine neue, in der Eidgenössischen Forschungsanstalt Wädenswil entwickelte Traubensorte angebaut wird. Man will die agronomischen Eigenschaften der Rebsorte an unterschiedlichen Standorten testen.

Die heute sehr gebräuchliche und erfolgreiche Rebsorte wurde unter dem Namen «Müller-Thurgau» bekannt. Benannt ist sie nach ihrem Erfinder, Hermann Müller-Thurgau, der in Tägerwilen aufwuchs. Die Strasse, welche direkt an seinem Geburtshaus vorbeiführt, wurde später nach ihm benannt.


Büste von Hermann Müller-Thurgau vor seinem Geburtshaus in Tägerwilen

Genau zu jener Zeit, als die neue Sorte auf dem Arenenberg getestet wird, schliesst die Republik Baden (das vormalige Grossherzogtum Baden) wegen eines Handelsstreits mit Frankreich seine Grenzen und der Thurgau ist somit seines Marktplatzes Konstanz beraubt. Unter Strafe ist es verboten, Rebstöcke nach Baden zu exportieren. Die Weinbauern am deutschen Ufer haben aber von der perfekt ans Klima angepassten neuen Traubensorte gehört und möchten sie unbedingt ebenfalls anbauen.

Und so rudert 1925 bei Nacht ein Winzer namens Röhrenbach den ganzen weiten Weg von Meersburg bis an den Untersee. Die Schweizer Weinbauern geben ihm bereitwillig 400 Müller-Thurgau-Stecklinge mit, er schmuggelt sie zurück über die Grenze und so nimmt der Siegeszug der neuen Rebsorte seinen Lauf. Heute wird Müller-Thurgau im ganzen deutschsprachigen Raum, in Südtirol, in Osteuropa, ja sogar in Neuseeland angebaut – und selbstverständlich auch weiterhin auf dem Arenenberg. Dort können Sie ihn bis heute degustieren und kaufen – und sich wie ein französischer Kaiser dabei fühlen.

 

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